Söldner für das Gute

Die Hunde des Krieges, so nannte man sie, zum Beispiel war da ihr Anführer, ein gewisser Carlos „Cat“ Shannon, der noch vor dem Frühstück Diktatoren tötete und Regierungen stürzte, dann aber mit der niedlich-lüsternen Julie, Tochter seines Auftraggebers, eine Affäre begann, die nur böse enden konnte, man ahnt es. Oder „Tiny“ Vlaminck, Shannons Kampfgefährte, ein Hüne mit gewaltigen Fäusten. Und dann war da noch ein Korse, dunkel und ungemein flink mit dem Messer. Diese wilde Truppe von Söldnern fliegt also nach Afrika und zettelt dort einen Staatsstreich an – und an diese Männer denkt Pieter D. Wezeman, wenn er sich morgens gegen neun Uhr mit einer Tasse Cappuccino an seinen Schreibtisch setzt. Sein Büro liegt im ersten Stock des Instituts; rechts den Gang entlang.

Wezeman hat sie vor Augen, diese Kämpfer, wenn er all die Berichte liest, Statistiken vergleicht, Zahlenkolonnen aufstellt, wenn er die Zeitschriften und Zeitungen durchforstet. „Jane’s Defence Weekly“, die „Kathmandu Post“, „AirForces Monthly“ und das „Asian Defence Journal“ – ein unablässiger Strom von Informationen läuft hier zusammen, in seinem mit Akten und Büchern vollgestopften Büro.

Wezeman ist Friedensforscher, und als solcher erforscht er den globalen Waffenhandel. Aber eigentlich fasst er seinen Auftrag weiter, er und seine Kollegen wollen ergründen, wie ein friedliches Miteinander der Menschen eines Tages möglich wäre, denn daran glauben sie hier bei Sipri – als Friedensforscher muss man das.

Das Stockholm International Peace Research Institute, kurz: Sipri, liegt am Stadtrand von Stockholm, ein Thinktank, vor 49 Jahren gegründet, inzwischen weltberühmt. 52 Mitarbeiter, davon 38 Wissenschaftler aus 14 Nationen, Statistiker, Mathematiker, Politologen, Historiker – und Wezeman, der aus Holland stammt, ist einer von ihnen. Sein Gebiet sind Käufe und Verkäufe, außerdem Diversifizierung von Waffengattungen, ferner der Schwarz- und Graumarkt – wahrscheinlich gibt es nur wenige Menschen auf der Welt, die darüber so viel wissen. Aber wenn er Feierabend mache, sagt er, schalte er ab. Er hat eine Frau und drei Kinder, er singt im Chor, kommt mit dem Hollandrad zur Arbeit, und er fotografiere für sein Leben gern, sagt er, aber noch mehr liebt er seinen Job.

Wenn er auf die Statistiken und Zahlenkolonnen blickt, sieht er den Zustand der Welt. Er liest ihn – wie ein Arzt eine Fieberkurve. Er blickt hinter die halbherzigen Absichtserklärungen und die oft verlogene Rhetorik der Politiker, er sieht die Tatsachen, ausgedrückt in kalten Zahlen, und er kann an ihnen ablesen, wie die Konflikte wandern, wie sie sich entzünden, eskalieren, und manchmal klingen sie auch ab, aber meistens fließt Blut.

Und er sieht Schicksale, Geschichten hinter den Berichten und Statistiken. Er sieht Typen – wie „Cat“ Shannon und seine Söldnertruppe, die „Hunde des Krieges“ aus dem gleichnamigen Roman. Frederick Forsyth, der Thrillerautor, erzählt die wilde Story einiger Söldner, die in der zentralafrikanischen Fantasierepublik Zangaro einen Diktator stürzen. Für Wezeman fasst dieses Buch zusammen, worum es geht beim Waffenhandel – und warum Frieden so schwer zu bewerkstelligen ist.

„Ich weiß, das Buch erschien Mitte der Siebzigerjahre, im Grunde zu einer anderen Zeitrechnung. Aber Forsyth hat wirklich sehr gut recherchiert, man erfährt viel über die Hintergründe eines solchen Coup d’État: Welche Waffen braucht man, in welcher Menge? Wie besorgt man sie sich? Wie funktioniert das? Und das ist das Verrückte, das Beängstigende: Fast nichts hat sich seitdem im Waffenhandel geändert! Macht und Gier sind die treibenden Kräfte. Die Typen, die Strukturen sind unverändert. Bis auf Preise und Details.“

Waffenhandel sei nicht per se schrecklich, sagt Wezeman, es komme immer auf den politischen Kontext an; aber in jüngster Zeit gebe es mehr und mehr Krisenherde, „wir haben also keinen Grund zum Optimismus“.

Gab es denn jemals einen Hoffnungsschimmer, Grund zum Optimismus?

Ja, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, sagt Wezeman, habe man hoffen können. Damals gingen die Waffenverkäufe zurück, etwa zehn Jahre lang. Denn eine Supermacht war plötzlich vom Spielfeld verschwunden, also drosselten auch die USA ihre tödlichen Geschenke. Sicher, bald wurden die einstigen sowjetischen Arsenale in den Satellitenstaaten geplündert, vor allem ehemalige KGB-Agenten taten sich hierbei hervor, das Zeug kam auf den Markt, erklärt Pieter Wezeman – „aber es dauerte ein paar Jahre, bis es flutschte, daher der Rückgang“.

In den vergangenen zehn Jahren zogen die globalen Waffenverkäufe wieder an, das gefällt Wezeman nicht. „Das Bild ist jetzt sehr unübersichtlich, es mischen mehr Mächte mit als noch vor 15 Jahren.“ Die Chinesen würden dramatisch aufholen, auch die russischen Firmen. „Abnehmer sind die Golfstaaten, die Nachbarn Russlands, dazu Pakistan, Indien, Bangladesch, Burma, außerdem verschiedene Interessenten in Zentralafrika.“

Manchmal, sagt Wezeman, sei es sehr frustrierend, diese Entwicklungen zu analysieren. Macht und Gier treiben die Welt an, als Friedensforscher steht man hilflos daneben. Aber Jammern nützt nichts, sagt er, und so macht Wezeman weiter, Tag für Tag, forschend, lesend, schreibend, ein Söldner auch er, ein Hund des Krieges.